Es gibt nur «ein Wir»

Begrüssungsrede von Martin Pfister, Nationalratskandidat SP AI
am Konzert mit Aeham Ahmad – dem «Klavierspieler in den Trümmern Jarmouks» vom 4. Oktober 2019

Liebe Anwesende

Liebe Gäste

Vielen Dank, dass Ihr unserer Einladung zum heutigen Konzert gefolgt seid. Gemeinsam mit Aeham Ahmad – dem Klavierspieler aus den Trümmern Jarmouks – setzen wir ein Zeichen für eine Gesellschaft der Völkerverständigung und Integration.

Aeham Ahmad wuchs im syrischen Jarmouk, einem Vorort von Damaskus, auf. Schon als Kind wurde er musikalisch gefördert. Später studierte er Musikpädagogik und arbeitete als Musiklehrer. Internationale Bekanntheit erlangte er als Klavierspieler in den Trümmern Jarmouks während des syrischen Bürgerkriegs. Das Bild auf unserem Konzertflyer ging um die Welt. Auch er war einer der Menschen, die den Grauen des Krieges entfliehen musste und an die Türen Europas klopfte. Heute lebt Aeham Ahmad mit seiner Familie in Deutschland.

Nicht alle haben diese Chance. Was mit den Menschen vor den Mauern der Festung Europa passiert, geschätzte Gäste, ist unerträglich. Wir überlassen Menschen – ob an Leib und Leben bedrohte Asylsuchende, Menschen auf dem Weg nach einer besseren wirtschaftlichen Perspektive oder auf der Flucht vor den Folgen des Klimawandels – ihrem Schicksal. Sie und die unbestimmte Anzahl von Vermissten und Toten sind die gravierenden Nebenwirkungen einer unmenschlichen europäischen Abschottungspolitik.

Wenn der Schutz von Menschenleben nicht stets Vorrang hat vor der Notwendigkeit, Grenzen abzuriegeln, wird die Zahl der Opfer vor der Festung Europa unerbittlich steigen – und wir sind mitverantwortlich. Denn mit den Verträgen von Schengen und Dublin endet die Schweiz nicht mehr in Chiasso oder St. Margrethen sondern in Lampedusa oder im Niemandsland zwischen Kroatien und Bosnien – Herzegowina. Wir sind Teil dieses europäischen Systems.

Ich habe einen Traum – eine Vision eines Menschenrechts auf Arbeit und auf sicheres Leben im eigenen Land. Menschen dürfen nicht in die Notlage kommen, dass sie zu Arbeitsplätzen, zum Kapital oder in sichere Gebiete migrieren müssen. Sondern umgekehrt: Kapital, Arbeit und Sicherheit sollten zu diesen Menschen migrieren.

Liebe Gäste

Migration ist eine humanitäre Realität, die wir gemeinsam organisieren müssen. Diese komplexe Aufgabe fordert verstärkte internationale Kooperation und Solidarität mit den Menschen im Schatten dieser Welt. Es gibt kein „Wir und die da unten“ – es gibt nur «ein Wir»! So können wir gemeinsam eine Welt gewinnen.

Dieses «Wir» gilt auch im Zusammenleben in unserem Land. Für eine gute Integration sind «Arbeit und Bildung für alle» eine soziale Notwendigkeit. «Arbeit und Bildung für alle» – eines der vier Hauptthemen meiner Wahlkampagne – tragen zu einem stabilen gesellschaftlichen Fundament bei. Dieses Erfolgsrezept hilft mit, dass in unserem Land Bewegungen von Verliererinnen und Verlierern der Globalisierung – wie beispielsweise die «Gilet jaune» in Frankreich – oder Gettobildungen kaum Nährboden finden. Ich stehe für eine Bildungs- und Arbeitsoffensive für Menschen im Asylbereich. Damit unterstützen wir ihre möglichst frühe Integration.

Die Integration in eine neue Heimat ist auch immer mit Gefühlen verbunden. «Steine in der Heimat sind weicher als Watte im Ausland.» Dieses Sprichwort aus dem Kosovo, spricht Bände und drückt die Gefühlslage vieler Menschen aus, die aus Perspektivenlosigkeit oft keine andere Wahl haben, als ihre Heimat zu verlassen.

Aeham Ahmad beschreibt in seinem Buch nach seiner Ankunft in Deutschland sehr glückliche Momente – aber auch Zeiten voller Melancholie mit Schuldgefühlen und Heimweh. «Dann», so schreibt er, «lehne ich mich zurück und singe voll Inbrunst meine Lieder, die zu Tränen rühren, Trost spenden und uns gemeinsam an ein Morgen glauben lassen.»

Lasst uns nun mit dieser Zuversicht und Hoffnung in die Welt seiner Musik eintauchen. Ich wünsche uns allen einen eindrücklichen Abend und übergebe das Wort Daniela Mittelholzer. Sie wird kurz ins Buch von Aeham Ahmad «Und die Vögel werden singen» einführen, aus dem sie im Wechsel mit Aeham Ahmads Klavierspiel Passagen rezitieren wird. Wir begrüssen nun herzlich Daniela Mittelholzer und Aeham Ahmad.

Vielen Dank!

Es gibt nur «ein Wir»

 

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