Im Zeitgeist des Aufbruchs von 1918

Rede des Parteipräsidenten Martin Pfister an der Parteiversammlung der SP AI vom 30. Oktober 2018

Liebe Genossinnen und Genossen
Liebe Parteifreundinnen und Parteifreunde

100 Jahre nach dem Landesstreik knüpfen wir an den Zeitgeist des Aufbruchs im November 1918 an. Heute verabschieden wir unseren «Aufruf zur Unbequemlichkeit». Mit neun konkreten Projekten kämpfen wir für eine breitere Verteilung der politischen Teilhabe und für die Förderung der politischen Vielfalt. Dazu gibt es in unserem Kanton wahrlich genügend Gründe.

Wie beispielsweise unsere Initiative zur «Versorgungsregion Säntis» in der Grossratssession vom 22. Oktober behandelt wurde, ist einer gelebten Demokratie nicht würdig. Wenn bei einer Initiative für ein kostengünstigeres Gesundheitswesen unser Parlament zu einem «Kabinett des Schweigens» verkommt, wirft dies Fragen auf. Denn – liebe Genossinnen und Genossen – das ungeschriebene Gesetz der «Omerta» gehört zu mafiösen Strukturen, jedoch sicher nicht zu den Grundpfeilern einer gelebten Demokratie!

Der Grossratspräsident hat in seiner Eröffnungsrede den grossen Aufwand wegen unserer Initiative, die nicht umsetzbar sei, kritisiert. Er erwähnt das Verfassen der Botschaft, die Behandlung im Büro, die Gültigkeitserklärung sowie das Schreiben des Berichts des Büros des Grossen Rates und die Behandlung durch den Grossen Rat. Dazu nur so viel: Zu einem funktionierenden demokratischen Staat gehören entsprechende politische Verfahren, die zugegebenermassen nicht ohne Aufwand zu bewältigen sind. Wir lassen uns nicht vom neoliberalen Renditedenken, das auf einen Staat mit möglichst schlanken Abläufen und kleinem Aufwand setzt, aus demokratischen Prozessen herausdrängen. Ob unserer Initiative umsetzbar ist, hängt einzig vom politischen Willen ab, der weder bei der Regierung noch beim Parlament vorhanden ist. Mit einem zwinkernden Auge merke ich an, dass wir uns in einer ermutigenden Ausgangslage befinden: Momentan steht das Stimmenverhältnis mit 235 Unterschriften für die Initiative gegenüber der deutlich kleineren Anzahl ablehnender Stimmen aus Regierung und Parlament deutlich auf unserer Seite.

Liebe Genossinnen und Genossen
Wir dürfen nicht zu bequem sein, Unrecht und Ungerechtigkeiten zu bekämpfen und uns gegen politischen Filz und Machtkonzentration in unserem Kanton zu wehren. Diese «Nicht-Diskussion» im Grossen Rat und die Haltung des Grossratspräsidenten fordern uns heraus. Das lassen wir so nicht stehen! Uns genügt auch das unverbindliche Bekenntnis von Regierung und Parlament zur Zusammenarbeit im Gesundheitswesen nicht. Nun braucht es konkrete Schritte. Jetzt ist Unbequemlichkeit gefragt. Wir werden im Hinblick auf die kommende Landsgemeinde zusammen mit euch und weiteren Verbündeten – gegen den Widerstand von Regierung und Parlament – eine engagierte und strategisch clevere Abstimmungskampagne für einen gemeinsamen und sachlichen Weg zu einem erschwinglichen Gesundheitswesen führen. Dazu sind wir auf euch und euer Engagement angewiesen.

Heute fassen wir die Parolen zu den kommenden nationalen Abstimmungsvorlagen und debattieren dabei über wichtige Grundwerte unserer aufgeklärten Gesellschaft. Die «Selbstbestimmungsinitiative» greift die Grundpfeiler unserer direkten Demokratie frontal an. Das Gesetz über Versicherungsspione stellt unsere Grundrechte zur Disposition und bei der «Hornkuh-Initiative» steht das Tierwohl ins Zentrum. Auch hier ist unser politisches Engagement gefragt.

Liebe Genossinnen und Genossen
Auch 100 Jahre nach dem Landesstreik dürfen wir nicht bequem werden. Die Haltung dieses Aufbruchs zu entscheidenden politischen und sozialen Entwicklungen in unserem Land soll uns auch heute Vorbild sein. Deshalb gedenken wir am 15. November dieser wichtigen sozialpolitischen Weichenstellung und der Menschen, welche diese Epoche mitgeprägt und miterlebt haben. An unserer kommenden Veranstaltung «Appenzell diskutiert» beleuchten wir unter dem Titel «Scheinbar fern und doch so nah» die Situation in unserem Kanton während des Landesstreiks. Seid dazu herzlich willkommen! Damit setzen wir ein solidarisches Zeichen für den Geist dieses Aufbruchs und der Unbequemlichkeit. Denn – liebe Genossinnen und Genossen – nur wenn wir uns engagieren, werden wir wahrgenommen. Und miteinander sind wir stark!

Vielen Dank für euer Mitgestalten und eure Aufmerksamkeit.

Die Rede als PDF

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