Welche Wirtschaft nach dem «NEIN» zur USR III?

Viele reden von Ungleichheit. Trotzdem wird seit Jahren das Kapital auf Kosten von Lohn und Arbeit entlastet – z. B. durch Liberalisierungen und Privatisierungen, Senkung der Unternehmensbesteuerung, Halbierung der Dividensteuern und durch Abschaffung der Erbschaftssteuern. Gleichzeitig wurden die Mehrwertsteuer sowie weiterer Gebühren und Abgaben erhöht. Steuervermeidung wurde zum Businessmodell. Weltweit werden hunderte Milliarden von Steuersubstrat vernichtet. Und wir wundern uns, dass Menschen in Not an unsere Türen klopfen.

Die heutige Wirtschaftsordnung bevorzugt in beispielloser Art die Besitzer grosser Kapitalvermögen. So diktieren Vertreter des Grosskapitals Standortbedingungen. Sie drohen, unser Land zu verlassen, wenn ihnen via Steuersenkungen keine zusätzlichen Gewinne zugestanden werden.

Die kannibalische Diktatur der entfesselten Finanzmärkte treibt weltweit Millionen in Hunger und Armut. Der Gesamtzahlungsverkehr der Wirtschaft in unserem Land beträgt 100’000 Milliarden Franken. Davon entfällt ein Grossteil auf den Handel mit Finanzgeschäften, die hochrisikoreich und im Sekundentakt virtuell auf Computern abgewickelt werden. So können beispielsweise mit 50 Millionen Dollar Deckung einflussreiche Devisenkontrakte im Gegenwert von 5 Milliarden Dollar gekauft werden. Steigt die Währung, so gibt es Gewinne. Bei einem Währungseinbruch stürzt ein solcher Handel ab. Ähnlich wie im Casino wird gewettet und spekuliert – und damit unsere Demokratie gefährdet. Denn: Wetten systemrelevante Grossbanken falsch, müssen sie im Notfall gerettet werden. Die Kosten tragen wir alle. Erinnern wir uns an die Finanzkrise 2007/08: Die Rettung der UBS kostete uns 68 Milliarden Franken. Dieses Finanzsystem ist zu mächtig und auch heute nicht entscheidend sicherer als vor der grossen Finanzkrise.

Diese Bevorzugung des Kapitals und die Plünderung von Lohn und Rente müssen wir stoppen. Denn vielen Menschen machen steigende Krankenkassenprämien und Wohnkosten Angst. Ich stehe für eine real produzierende Wirtschaft ein, die unserer Bevölkerung Arbeitsplätze und Einkommen verschafft. Die Kaufkraft ist ein wichtiges Standbein der Wirtschaft. Momentan entspricht der Konsum 60% der Wirtschaftsleistung in unserem Land.

Unsere Demokratie hat sich mit dem «NEIN» zur USR III gegenüber der Selbstbedienungsmentalität der Konzerne und deren Grossaktionären behauptet. Dieses Abstimmungsergebnis stimmt hoffnungsvoll. Seine Botschaft ist deutlich: Steuerausfälle dürfen nicht überkompensiert und müssen durch das Kapital refinanziert werden. Dies fördert mehr Gleichheit.

Die Zukunft gehört nicht dem Grosskapital mit seinem neoliberalen Geschäftsmodell – sondern der breiten Bevölkerung. Ein geteilter Wohlstand ist ein nachhaltiger Wohlstand. Folgende drei Ansätze sind wichtige Pfeiler einer sozialeren und gerechteren Wirtschaftsordnung und einer gesunderen Gesellschaft.

Aktive Investitions- und Lohnpolitik
Die Schweiz stimuliert mit Aussenhandelsüberschüssen ein Wachstum, um Arbeitsplätze zu schaffen. Wir exportieren Produkte und unsere Unternehmen werden reicher. Mit ihren Überschüssen verursachen sie – systemisch logisch – in andern Staaten Arbeitsplatzverluste und Schulden. Diese Entwicklung führt zu immer grösseren Ungleichgewichten in Handels- und Leistungsbilanzen. Reiche Staaten landen in der Überschuss- und arme Länder in der Schuldenfalle. Wenn Schweizer Unternehmen die Löhne drücken, um konkurrenzfähig zu bleiben, befeuern sie diese Spirale von Überschüssen und Schulden. Letztendlich sinkt die Nachfrage.

Um aus diesem unheilvollen Kreislauf auszubrechen, braucht es Lösungen zweiter Ordnung und ein neues Rollenverständnis der Schweiz: Mit einer aktiven staatlichen Investitionspolitik – wider die Schuldenbremse – und Reallohnerhöhungen können Politik und Wirtschaft die Binnennachfrage und Kaufkraft fördern. So unterstützen sie wirtschaftliche Entwicklungen ohne aggressive Exportüberschüsse. Wirtschaftsprofessor Heiner Flassbeck führt dazu weiteres aus in seiner Studie «Die Schweiz – Welches wirtschaftspolitische Modell für die Zukunft?», die er 2016 für die SP Schweiz erstellt hat (Anhang), und die Flassbeck in einem SRF-Audio-Beitrag erläutert.

Mikrosteuer auf dem gesamten Zahlungsverkehr
Die «Automatische Mikrosteuer auf dem gesamten Zahlungsverkehr» ist ein gerechtes und unbürokratisches Steuersystem, das volkswirtschaftlichen Nutzen schafft. Bei jeder elektronischen Buchung wird automatisch eine Steuer berechnet. Davon ist auch der Zahlungsverkehr der Finanzwirtschaft erfasst, der momentan von Steuern befreit ist. Würde der schweizweite Gesamtzahlungsverkehr von 100’000 Milliarden Franken mit 0,2 Promille pro elektronischer Zahlung besteuert, würden Einkünfte von 200 Milliarden Franken generiert. Damit wäre unser gesamtes Staatsbudget finanziert. Alle anderen Steuern könnten ersetzt werden.

Diese Mikrosteuer ist interessant für alle Privatpersonen, KMU und die real produzierende Wirtschaft. Sie vereinfacht das bisherige bürokratische Steuer- und Abgabesystem. Zudem trägt sie zur Beruhigung der entfesselten Finanzmärkte bei. Die Steuerlast wird gerechter verteilt. Dazu ist eine Initiative in Erarbeitung – mit dem Ziel, schrittweise das bisherige Steuersystem zu ersetzen: www.microtax.ch.

Wirtschaftsdemokratie
Die Wirtschaft hat im Dienste unserer Gesellschaft zu stehen und nicht umgekehrt. Dazu gehört eine umfassende Demokratisierung aller Bereiche – auch dort, wo Reichtum und ökonomische Macht verteilt werden. Eine zukunftsfähige Wirtschaft ist ökologisch solidarisch und auch demokratisch organisiert, wie im Positionspapier der SP zur Wirtschaftsdemokratie ausgeführt wird (Anhang).

Studie Heiner Flassbeck (PDF 2.8 MB)

Positionspapier der SP zur Wirtschaftsdemokratie (PDF 145 KB)

Blogbeitrag als PDF (582 KB)

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